Es geht wieder los. Das Eindreschen auf die EU. Ich gebe zu, die Verwaltung der vielen Mitgliedstaaten bietet auch immer wieder gute Vorlagen, doch in diesem Fall weiß ich nicht, was der ganze Hype soll.
Aber der Reihe nach.
Die Lippische Landeszeitung berichtet heute davon, dass
Die Europäische Union (EU) die Idee [hat], in Zukunft Brötchen nach Gewicht verkaufen zu lassen. Dahinter verbirgt sich die Vorgabe einer verbindlichen Gewichtsangabe für lose, unverpackte Lebensmittel.
Auch andere Quellen stürzen sich in Zeiten des Sommerlochs natürlich gerne auf so einen Lückenfüller. Meine Lieblings-Online-Quelle für solche Sachen ist – natürlich – die BILD „Zeitung“.
Wenn man sich aber mal die Mühe macht (und es ist wirklich mühsam!) auf den Internetseiten der Europäischen Union etwas zu stöbern, dann findet man irgendwann den
Vorschlag für eine
VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel
Und wenn man noch etwas mehr sucht, findet man sogar einen Link zu einer PDF Datei des Vorschlags zur Verordnung betreffend die Information in seiner ganzen Pracht.
Nun ist in diesem Dokument zwar durchaus die Rede von unverpackten Lebensmitteln, allerdings hat das mit dem Verkauf von Brötchen nach Gewicht herzlich wenig zu tun. Es wird lediglich darauf eingegangen, dass unverpackte Lebensmittel häufiger als andere Auslöser von Allergien sind.
(41) Die Mitgliedstaaten sollten weiterhin die Möglichkeit haben, entsprechend den örtlichen Verhältnissen und praktischen Umständen die Einzelheiten der Bereitstellung von Informationen über unverpackte Lebensmittel festzulegen. Obgleich die Verbraucher in solchen Fällen kaum andere Informationen verlangen, betrachten sie Informationen zu potenziellen Allergenen als sehr wichtig. Es hat sich gezeigt, dass die meisten Fälle von Lebensmittelallergien durch unverpackte Lebensmittel ausgelöst werden. Deshalb sollten die Verbraucher derartige Informationen stets erhalten.
Auch wenn man das Dokument auf die Verwendung des Begriffes Gewicht unter- bzw. durchsucht, findet man nichts, was darauf hin deutet, künftig eine halbe Stunde längeren Aufenthalt beim morgendlichen Bäckereibesuch einplanen zu müssen.
Ganz davon abgesehen stammt der EU-Vorschlag für eine Verordnung für – na Sie wissen schon – aus dem Januar 2008. Für das Sommerloch des letzten Jahres scheint das noch nicht unbedeutend genug gewesen zu sein.
Zur Ehrenrettung von Bild.de sei noch gesagt, dss deren Artikel mit den Worten schließt
[EU-] Kommissions-Sprecher Carsten Lietz: „Die Kommission hat nicht die Absicht, die Verkaufspraktiken der deutschen Bäcker anzugreifen.“ Die Regelung beziehe sich auf verpackte Brötchenware, die für den innereuropäischen Handel vorgesehen sei.
Was aber niemanden abgehalten hat, den Artikel überschrieben zu haben mit
Die Europäische Union will, dass deutsche Bäcker ihre Brötchen künftig nach Gewicht verkaufen!
Mal sehen, was das Sommerloch noch so bringen wird …