Noch viel erwachsener, probeweise …

Im FAZ.net Fernsehblog gibt es noch einen weiteren, sehr schön geschriebenen Beitrag von Stefan Niggemeier, der sich nicht nur vordergründig mit der Sendung auseinandersetzt, von der der erste Teil gerade eben zuende gegangen ist (nein, ich habe nicht wissentlich hingeschaut, lief nur nebenbei). Herr Jauch diskutiert gerade ganz investigativ in Stern-TV auf RTL mit irgendwelchen wichtigen Experten.

Herr Niggemeier beleuchtet eher den Hype, der um die Ausstrahlung der Sendung entstanden ist.

60 Verbände haben den Sender Ende vergangener Woche in einer gemeinsamen Erklärung [doc] dazu aufgerufen, die Reality-Reihe nicht auszustrahlen. 60 klingt nach viel, aber das täuscht. Dabei ist zum Beispiel der „Pflege- und Adoptivelternkreis Kreis Wesel“, und da fragt man sich doch sofort, ob es in den Landkreisen Cochem-Zell, Sonneberg, Steinfurt und Alzey-Worms keine Elternkreise gibt, die hätten unterschreiben können. Oder warum von der Arbeiterwohlfahrt nur der Bezirksverband Hannover unterschrieben hat, obwohl die Organisation noch 28 weitere Landes- und Bezirksverbände hat. Und ob es nicht noch mehr obskure Organisationen wie „TQL – Total Quality Life“ gibt, die ihr Eingetragenes-Warenzeichen-Zeichen mit unter die Erklärung gepackt hätten.

[…]

All diese Verbände (darunter zu meinem persönlichen Entsetzen auch die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg) haben eine Erklärung unterschrieben, die davon ausgeht, dass in der Sendung „Eltern ihre Kinder für mehrere Tage in einem kameraüberwachten Haus an Jugendliche abgeben“. Keiner dieser ach-so-besorgten Verbände hat zur Kenntnis genommen, dass RTL das inzwischen bestreitet. Der Sender behauptet, die Eltern seien „die ganze Zeit bei ihren Kindern dabei“ gewesen, „oft nur wenige Meter von ihren Kindern entfernt“ und „mitunter direkt hinter dem Kameramann“. Katrin B., eine der Mütter, sagt, ihr Sohn sei „nie über mehrere Stunden alleine bei den Probeeltern“ gewesen und habe jede Nacht bei ihr geschlafen.

Das Deutsche Jugend-Institut (DJI) hat die Erklärung nicht unterzeichnet, brauchte das aber vielleicht auch nicht, weil es seinen Beitrag zur Eskalation des Irrsinns auch so schon geleistet hat. Christian Lüders, Leiter der Abteilung Jugend und Jugendhilfe, brachte die Möglichkeit ins Gespräch, dass man den Eltern, die an der Sendung teilnahmen, eventuell die Kinder wegnehmen müsse. Wenn man bedenkt, dass der der brisanteste Vorwurf gegenüber der Sendung lautet, dass bei Kleinkindern, die vorübergehend von ihren vertrauten Bezugspersonen getrennt werden, irreparable Bindungsprobleme entstehen können, ist der Vorstoß des DJI von betörender Konsequenz: Warum Kinder nur ein paar Stunden von ihren vertrauten Bezugspersonen trennen, wenn man es gleich für Jahre tun und den Schaden maximieren kann?

Die Erklärung der Dutzenden Vereine geht von einer falschen oder wenigstens unbewiesenen Annahme aus. Ob man, wenn man die Situation korrekt dargestellt hätte, wohl mehr oder weniger Unterzeichner bekommen hätte?

Den kompletten Artikel gibt es hier.

Gerade das Verhalten dieser kinderschützenden Verbände finde ich sehr bezeichnend für den immer öfter vorherrschenden blinden Aktionismus, der immer dann auftritt, wenn etwas medienwirksam in Szene gesetzt wird. Ich freue mich schon auf die BILD Schlagzeilen von morgen …

Aktuell berichtet die „Zeitung“ mit den großen Buchstaben schonmal knallhart recherchiert

In „Erwachsen auf Probe“ leihen Eltern ihre Babys und Kleinkinder vorübergehend an Teenager aus.

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